(Staatliche) Kohle und andere Begehrlichkeiten

Ein Abriss der Schmierenkomödie vorerst letzter Teil um einen Gedenkort Fontanepromenade 15 in Berlin-Kreuzberg

Nachdem die durchaus erfolgversprechenden Gespräche des Vereins <Gedenkort Fontanepromenade 15> e.V. mit dem privaten Investor im zurückliegenden Jahr 2017 über den Betrieb eines öffentlichen Gedenkorts in einem Teil der denkmalgeschützten Immobilie Fontanepromenade 15 — im deutschen Faschismus die ehemalige „Dienststelle für Juden beim Berliner Arbeitsamt“, das zentrale Berliner Zwangsarbeitsamt — dem Verein nach erfolgreicher Durchsetzung eines Haushaltstitels im Dezember 2017 von  einer heiligen Allianz aus Gedenkindustrie, Landes- und Bezirkspolitik (Topographie des Terrors, Senatsverwaltung Kultur und Europa, Kulturamt Kreuzberg-Friedrichshain) in den ersten vier Monaten des Jahres 2018 aus der Hand geschlagen und an die Wand gefahren wurden (s. Presseerklärung des Vereins vom 08.05.2018), geht es nun anscheinend um die Verteilung des Skalps in Form der ausschließlich durch die konzeptionelle und organisatorische Vorarbeit des Vereins im Doppelhaushalt 2018/19 eingestellten Mittel für eine pädagogische Bildungsarbeit zum Gedenkort.

Auf der Sitzung des „Runden Tischs Zwangsarbeit“ am 05.Juni erklärte Kultursenator Lederers Koryphäe  für die Durchsetzung seiner Stiftungsinitiative Zwangsarbeit, der Vorsitzende der Stiftung Topographie des Terrors, Professor Nachama als im Haushaltstitel benannter Kooperationspartner des Vereins <Gedenkort Fontanepromenade 15>, dass er — nachdem das Projekt unter anderem auch durch seine unentschlossene und intransparente Verhandlungen zur Inbetriebnahme des Ortes mit dem Investor Marc Brune aus Bremen unter Ausschluss des Vereins vorerst baden gegangen ist — auch die für die kooperativen Projekte mit dem Verein bereitgestellten Mittel im Haushaltstitel zum Gedenkort Fontanepromenade 15 nach Scheitern der Verhandlungen zur Inbetriebnahme des Gedenkorts nicht abrufen würde.

Daraufhin erklärte der Verein, dass nunmehr er als gleichberechtigter, in den Haushalts-Verhandlungen  genannter Kooperationspartner für das Projekt <Gedenkort Fontanepromenade 15> einen Antrag an den Kultursenator für Mittel für seine Bildungs- und Forschungsarbeit zum historischen Ort und zur jüdischen Zwangsarbeit im faschistischen Berlin stellen würde. - Die Antwort der mittleren Verwaltungsebene aus Lederers Kultursenat kam postwendend, während sich der Herr Senator weiterhin in Schweigen hüllt, obwohl die praktische Unterstützung des Kampfs gegen Faschismus, Antisemitismus und Rassismus im Kiez oberste Priorität auch in seiner Behörde haben sollte:

 „...Unabhängig von der Frage, ob in der oben zitierten Erläuterung nun die Worte „e.V.“ stehen oder nicht, sind diese Mittel beim Titel  der Stiftung Topographie des Terrors etatisiert und würden — nach Antrag — auch nur an diese ausgezahlt. Auch der Inhalt der Erläuterung spricht eindeutig von einer „kooperativen Zusammenarbeit der Stiftung“. …

Mit einer solchen formalbürokratischen und zudem sich widersprechenden Begründung werden nicht nur die Tatsachen des Zustandekommens des Haushaltstitels auf den Kopf gestellt und der Wille des parlamentarischen Souveräns ignoriert, sondern der Verein wird nun in der Lesart der Senatskulturverwaltung auch als gleichberechtigter Kooperationspartner der Topographie des Terrors — eine Zusammenarbeit, die in den Haushaltsverhandlungen im November/ Dezember letzten Jahres vom parlamentarischen Haushaltsgesetzgeber in Bezug auf Kooperationsprojekte zum Gedenkort Fontanepromenade verfügt wurde — als Kooperationspartner negiert. Ein treffendes Beispiel dafür, wie Verwaltung mit bürgerschaftlichem Engagement umgeht und tatsächliche bürgerschaftliche Initiative untergräbt und boykottiert.

Als Akt der Augenwischerei wurde dem Verein nun die weitere Erörterung der Angelegenheit auf dem Verwaltungswege in Aussicht gestellt und gleichzeitig der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wieder ins Boot geholt, der in Hinsicht auf die Privatisierung der Immobilie und die Etablierung des Gedenkorts bisher eine durchweg fragliche Rolle gespielt hat.

Tatsächlich hat die Landeskulturverwaltung das hinter dem vom Verein erstrittenen Haushaltstitel stehende Geld nun dem Bezirk angeboten, der dieses nun quasi im Gießkannenverfahren unter verschiedene ihm genehmen Einzelinitiativen verteilen möchte, die noch schnell aufgrund des möglichen Geldregens vom Bezirk mit ins Boot geholt wurden.

Der Verein hat dementsprechend auf einen Treffen der bezirklichen Gedenktafelkommission (GTK) klargemacht, dass sie hinter den von Einzelpersonen eingereichten zusätzlichen „Projektvorschlägen“ zum erheblichen Teil keine entwickelten Konzeptionen sieht, die einen dauerhaften und wissenschaftlichen arbeitenden Gedenkort ermöglichen würden, zum Teil kommerzielle Interessen zu erkennen seien und im Übrigen das ganze Verfahren des Bezirks ein Verstoß gegen den im vom Verein erstrittenen Haushaltstitel zum Ausdruck kommenden Willen des parlamentarischen Souveräns sei.

Der Verein hat darüber hinaus auch den Bezirk informiert, dass er anstatt der Topograhie des Terrors nun die abzurufenden Mittel für seine Bildungs- und Gedenkarbeit beansprucht und einen dementsprechenden Antrag beim Lederer-Senat gestellt habe. Gleichzeitig erklärt er sich generell offen für die Mitarbeit zusätzlicher Mitstreiter- und Mitstreiterinnen, die uneigennützig und ernsthaft an einer konzeptionellen Bildungs-und Gedenkarbeit zur jüdischen Zwangsarbeit in Berlin interessiert sind und sich für einen weiteren  Anlauf für das zukünftige dauerhafte Gedenken am authentisch-historischen Ort Fontanepromenade 15 einsetzen.-

Für dieses Ziel braucht der Verein jetzt noch mehr die Unterstützung von Euch, einer breiten demokratischen  Öffentlichkeit im Kiez, zumal auch hier wieder deutlich wird, was der Bürgerwille und der Wille der noch letzten Überlebenden der jüdischen Zwangsarbeit in Berlin Investoren, Gedenkindustrie und den verschiedenen Verwaltungsebenen wert ist, nämlich — außer Lippenbekenntnissen — nicht viel.

Hier steht der Kampf um die Fontanepromenade gegen private Investoren und eine Verwaltung, die den Willen der Bürger nicht ernst nimmt in einer Reihe mit den stadtpolitischen Kämpfen um das Dragoner Areal, die Bocksbier-Brauerei und die vielen namentlich nicht erwähnten Orte von Mieterkämpfen im Kiez, wo es um die generelle Frage geht, wie lange noch Privatinteressen Vorrang vor öffentlichen Interessen haben dürfen. Um hier in einem ersten Schritt zu einer Trendumkehr zu kommen, müssen wir von unten den politischen Druck erhöhen und uns noch mehr als bisher organisieren und besser vernetzen.

 Wem gehört Kreuzberg, wem gehört die Stadt?

 Georg Daniels, <Gedenkort Fontanepromenade 15>  e.V.